Nähprojekte - Mittelalter & Renaissance

Trossfrau Gewand um 1500

Trossfrauen waren die Begleiterinnen (Ehefrauen oder andere weibliche Angehörige) der Landsknechte, einer Söldnerarmee um 1500 in den deutschen Landen. Den Landsknechten und ihren Familien waren besondere Befugnisse erteilt, ihre Kleidung zu gestalten. Das normale Bürgertum unterlag strengen Luxusgesetzen, doch den Landsknechten wurde als Belohnung für ihre Dienste mehr Freiheit zugestanden. Die Kleidung ist oft detailreich und Schlitzungen im Oberstoff zeigen die Stoffe der Lagen darunter. Leuchtende Farben, Kontraste von Schwarz und reinweißem Leinen darunter, Federschmuck und gebauschte Ärmel charakterisieren die Trossfrauen und ihre Landsknechte.

 

Als schwarzen Besatz habe ich Leinen verwendet. Trossfrauenkleidung war oft aus Wolle, die problemlos geschlitzt werden kann. Um etwas sparsamer zu sein sowie der hohen Temparaturen des süddeutschen Sommers (wohin ich dieses Jahr nach fast fünf Jahren in England zurückgekehrt bin) zu trotzen habe ich mich für Leinen entschieden. Ich habe den Stoff dann geweils geschlitzt, die Schnittkanten mit Stoffkleber bestrichen und sie dann nach innen gefaltet, damit die mandelförmigen Öffnungen entstehen. Danach habe ich diese nochmals mit einem schwarzen Faden festgenäht.

Der Einfachheit halber habe ich mich für eine separate Rockkonstruktion mit Taillenband entschieden.

Vor dem Raffen habe ich ein Filzband eingezogen, um schöne dicke Falten zu erhalten. Den Rock habe ich dann ans Oberteil genäht.

Die Wulsthaube ist eine Kopfbedeckung in Südwestdeutschland um 1500, die beispielsweise in den Zeichnungen und Portraits von Albrecht Dürer zu sehen ist. Es ist eine Haube, die von einem großen Wulst gekennzeichnet ist, der den Kopf wie ein Heiligenschein umläuft. Oft ist die Wulsthaube mit einem Schleiertuch bedeckt.

Meine Wulsthaube habe ich als Basis aus einem halbkreisförmigen Stoffstück und einem langrechteckigen Teil gefertigt und dann den bananenförmigen Wulst aus zwei Stoffstücken mit Füllwatte dazwischen konstruiert. Den Wulst näht man dann auf die Haube.

 

Trossfrau-Kleid in Rot und Schwarz mit weißen Details und angenestelten Ärmeln und Beret, um 1500, Süddeutschland - Work in Progress © Epochs of Fashion
Trossfrau-Kleid, um 1500, Süddeutschland - Work in Progress © Epochs of Fashion

Florentinische Renaissance um 1480

Die Werke des florentiner Malers und Werkstattleiters Domenico Ghirlandaio, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts lebte, sind aufgrund ihres Detailreichtums besonders faszinierend. Exakt portraitiert Ghirlandaio seine Zeitgenossen und ihren patrizischen Lebensstil in seinen Fresken und Ölgemälden. Für einen Privaturlaub in Florenz 2024 habe ich mir endlich ein Kleid nach Vorbild seiner Werke gemacht.

Das Schnittmuster habe ich selbst erstellt und dabei die gebogene Naht im Oberteil aus den Portraits beachtet. Als Stoff diente ein Bettwäsche-Set bestehend aus Bettdeckenbezug und Kissen.

Das Oberteil ist vollständig gedoppelt, um ihm Struktur zu geben. In dieser Zeit wurden noch keine Schnürleibe getragen und man sieht in den Portraits leicht die Kurven des Oberkörpers, daher ist eine gewisse Stützwirkung des Kleiderstoffs wichtig um alles obenrum in Form zu halten. Die Brust der Renaissance ist kurvig aber zusammengedrückt und abgeflacht, nicht wie beispielsweise im Regency separiert und hochgepusht (wie man im Englischen so schön sagt als Pfirsiche auf einem Teller, peaches on a plate). Das Oberteil wird vorne mit einer verdeckten Schnürung geschlossen. Ich habe unsichtbar auf jeder Seite der Oberteilöffnung ein Korsettstäbchen eingenäht, da die Schnürung dadurch schön glatt rauskommt und nicht zu Spannungsfalten führt.

Den Rockteil habe ich als zwei großen Rechtecken zugeschnitten und dann an der Taille in Falten gelegt.

Die Ärmel sind zweigeteilt mit eigenständigen Ober- und Unterärmeln und werden mit versteckten Ösen aus geflochtenem Faden angenestelt.

Darunter wird eine leichte Chemise mit weiten Ärmeln getragen.

 

Fantasy-Renaissance

"Lucrezia Borgia" Italienische Renaissance © Epochs of Fashion
"Lucrezia Borgia" Italienische Renaissance Kleid © Epochs of Fashion

Die italienische Renaissance hat es mir schon seid langem angetan und ich habe mir daher vor vielen Jahren dieses Kostümfilm-inspirierte gemacht. Die Mode des ausgehenden 15. Jahrhunderts ist spannend: während in anderen Gegenden Europas die Taille ab den 1480ern mit ersten Miedern aus starkem Leinen und Fischbein geschnürt wurde, war die Kleidung in Italien charakterisiert durch eine hohe Taillenlinie und einen fließenden Rock. Diesen Kontrast von Italien zu Nordeuropa hat Albrecht Dürer in der Zeichnung "Nürnbergerin und Venezianerin" (Städel Museum Frankfurt, um 1495) auf humorvolle Weise auf den Punkt gebracht.

 

Vollansicht von junger Frau in hellblauem Renaissancekleid mit venezianischer MAske © Epochs of Fashion
"Lucrezia Borgia" Kleid © Epochs of Fashion

In meinem Bestand fand sich ein Ballen mit mehreren Metern silberblauem Satin, sowie Musselin für die Ärmel. Das Schnittmuster habe ich selbst erstellt. Mein Credo bei diesem Kleides war ein wenig 'The Borgias-fantasiehaft', es ging mir um die Silhouette und den Eindruck, weshalb ich mir kein Gemälde des Quattrocento o.ä. zum Vorbild genommen habe.

Das Miederoberteil wird durch verdeckte Ösen und Schnürung geschlossen. Der vorne offene Rock ist mit baugrünem Taft verbrämt. Die weißen Ärmel sind am Handgelenk gerafft und mit goldenen Rocaille-Perlen bestickt. Die zweiteiligen Überärmel zum Anschnüren sind noch in Arbeit. Ebenso sollte ein Unterrock darunter, damit der Rock kegelförmiger fällt. Natürlich musste das Kleid mit nach Florenz, um dort in der toskanischen Sonne Fotos zu machen. Bei Gelegenheit werde ich die Ärmel vollenden und mich an ein mit Perlen verziertes Haarnetz machen.

Detail: Italienisches Renaissancegewand aus silberblauem Satin, verziert mit Goldborte, Spitze und Perlstickerei (© Epochs of Fashion)
Detail: Italienisches Renaissancegewand aus silberblauem Satin, verziert mit Goldborte, Spitze und Perlstickerei (© Epochs of Fashion)

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