Das Mittelalter beschreibt die Zeitspanne vom Ende der Antike bis zum Beginn der Neuzeit mit der Renaissance. Die genaue Datierung dieser Epoche ist umstritten, grob umfasst sie die Zeit von 500 bis 1450 n. Chr., nördlich der Alpen bis 1500.
Für die Menschen im Mittelalter stellte die Kleidung ein Erkennungsmerkmal dar, das Informationen über die soziale Stellung und Gruppenzugehörigkeit, den Beruf und die finanzielle Lage des Trägers lieferte. Die Kleidung mittelalterlicher Frauen war generell boden- oder knöchellang, die Ärmel reichten bis zum Handgelenk. Ein einheitlicher Faktor durch alle Gesellschaftsschichten hinweg, vom Tagelöhner bis zur Königin, war das Tragen eines Leinenhemds unter der Überkleidung.
Entgegen der düsteren, ärmlichen Darstellung mittelalterlicher Gesellschaften in Filmen (bspw. Game of Thrones...) war das Mittelalter
extrem farbenfroh. In der Buchmalerei zeigen Miniaturen stets ein vielfarbiges Tableau an bunt gekleideten Menschen, vom Agrararbeiter bis zum Herzog. Farbe erhielten die Textilien und Kleidungsstücke durch das Färben mit planzlichen und tierischen Stoffen. Von Pastell bis zu leuchtenden Tönen konnte man
praktisch jeden Ton erzeugen. Besonders teuer waren Farben, die seltene und teure Stoffe benötigten, wie Tiefblau (Indigo, der importiert werden musste), Tiefschwarz und natürlich royaler Purpur
(aus der Purpurschnecke). Um satte Farben zu erhalten, war viel Farbstoff und häufiges Eintauchen des Stoffs in den Farbbottich nötig, wodurch satte Farben teurer waren als beispielsweise
Pastelltöne.
Alle Stoffe bestanden aus Naturfasern. Diese waren vor allem Hanffasern, aus denen Leinen besteht, Wolle und Seide.Leinen wurde für die unteren Lagen benutzt, insbesondere für das Hemd (Chemise), weil es leicht wasch- und bleichbar war und auch die aggressive Kernseife des Mittelalters vertrug.
Wolle war einer der häufigsten Kleiderstoffe. Sie ist widerstandsfähig, wasserabweisend und wärmend.Seide, das begehrte Textil des mediterranen
Raums, wurde aus dem Byzantinischen Reich importiert und war der Oberschicht und der Kirche vorbehalten. Feinen Pelz zu tragen war ein Statussymbol mit praktischer Funktion: er wärmte, weshalb im
Mittelalter selbst bei der Kleidung wohlhabender Personen der Pelz praktisch immer innen als Futter getragen wurde, während die Außenseite der Kleidung höchstens an den Kanten pelzverbrämt
war.
Man arbeitete nicht mit Schnittmustern, sondern passte die neuen Kleidungsstücke direkt dem Körper oder anderen Kleidungsstücken des Trägers an. Im Frühmittelalter war Kleidung von der byzantinisch-römischen Tracht beeinflusst, weshalb die Schnitte geometrisch simpel, wie die Tunika, waren. Diese konnte T-förmig, oder als zwei zusammengenähte Rechtecke mit eingesetzten Ärmeln geschnitten sein. Eine spannende Quelle ist das Grabmahl der merowingischen Königin Arnegunde, Frau von Chlotar I. Sie starb etwa 580 und wurde in St. Denis in Paris begraben. Glücklicherweise blieb die Kleidung, in der sie begraben wurde, konserviert und zeigt uns ihr leinenes Hemd und darüber eine lilafarbene Tunika mit einem rotbraunen Seidenumhang. Ihre Tunika ist gegürtet mit einem Gürtel aus Metallplatten, verziert mit Tiermotiven.
Daraus entwickelte sich später die Cotte. Die Cotte war ein Unisex-Kleidungsstück welches in
unterschliedlicher Länge von Frauen und Männern getragen wurde. Simpel geschnitten und der Tunika entlehnt wurden an den Seiten für die Rockweite sogenannte Godets (dreieckige Stoffstücke)
eingesetzt.
Im 12. Jahrhundert wurden die Kleider zunehmend enganliegender und konnten schließlich um etwa 1380 nicht länger über den Kopf gezogen werden. Sie
wurden mit Schnürung oder Knöpfen geschlossen. Knöpfe, von denen Metallknöpfe die teuersten und edelsten waren, sind ein Zeichen eines wohlhabenderen Trägers. Die Mehrheit der Bevölkerung
arbeitete mit Schnürung, Knöpfen aus Stoff oder Horn. Viele Knöpfe bedeutete auch ein Mehraufwand beim Ankleiden, für den man Freizeit haben muss. Der Kirche war die zunehmend körperbetonte
Kleidung ein Dorn im Auge, doch zeigt auch gotische Skulptur die Einflüsse der zeitgenössischen Kleidung. Heiligendarstellungen und Königinnen erscheinen gleichermaßen mit hautengen Oberteilen in
Stein.
Zum Ende des europäischen Mittelalters hin stach ein Hof durch besondere Strahlkraft heraus und dieser war der burgundische. Europa
wurde insgesamt wohlhabender. Nach der schrecklichen Zäsur der Pestepidemien wodurch im Laufe der 1300er und 1400er Jahre die halbe Bevölkerung verstarb, fand ein wirtschaftlicher Aufschwung
statt. Durch den allgemeinen Mangel an Menschen und so auch Arbeitern stiegen die Löhne stark an. Zudem hatte die Verkleinerung der Bevölkerung dafür gesorgt, dass sich Vermögen die vorher vier
oder fünf Familienzweigen gehört hatten, in die Hände der ein oder zwei Überlebenden konzentrierten. Durch gleichzeitig verstärkte Handelsbeziehungen, Textilproduktion und das Bankwesen
verbesserte sich die Situation der Menschen und eine neue Mittelschicht wuchs heran.
Ein Auswuchs dieses Wohlstands war die Houppelande, ein voluminöses Unisex-Kleidungsstück welches von Frauen bodenlang und von Männern
knielang getragen wurde. Ab den Schultern war es weit geschnitten und demonstrativ sehr stoffreich, daher wurde es in der Taille gegürtet getragen. Der Halsausschnitt war in der Regel v-förmig
und offenbarte daher das Untergewand. Die Ärmel waren enganliegend oder glockenförmig.Die Houppelande war oft aus Wolle, aber auch aus luxuriösen Stoffen wie Samt oder Brokat gefertigt und sogar
pelzverbrämt. Die Kleidung der Ehefrau und Töchter war für Männer, die aufgrund der patriarchalen Gesellschaft am Kopf der Haushalte standen, ein Statussymbol und man bemühte sich, seine Familie
so gut wie möglich einzukleiden. Stoffe waren so teuer, dass Haushalte bis zu fast 50 Prozent ihres jährlichen Gesamteinkommens für Kleidungsstücke und Textilien ausgaben - eine für heute zu
Zeiten von Fast Fashion und Black Friday Sales unvorstellbare Höhe.
Die Heuke war ein glockenförmiger Mantel (dies verbrauchte weniger Stoff als ein voller Kreismantel). Sie kam im 14. Jahrhundert auf und wurde fester Bestandteil der Frauenkleidung. Sie konnte eine kleine Schleppe haben, sowie einen Kragen und eine Kapuze.
Accessoires:
Ein wichtiges Accessoire war die vom Gürtel hängend getragene Geldbörse. Generell wurden die wichtigsten Accessoires am Gürtel
getragen. Im Mittelalter wurde selbst bei Banketten in der Regel kein Besteck zur Verfügung gestellt, sondern jeder besaß ein eigenes Messer (ein einer Scheide am Gürtel getragen) und benutzte
dieses.
Weitere wichtige Accessoires waren Broschen und Fibeln, die Umhänge zusammenhielten und eine Bildfläche für Symbolismus
boten. Weiterhin gab es flache Zinnanhänger, die es in unzähligen Motiven von religiösen Szenen bis zu Naturmotiven zu kaufen gab und die man an Hüte und Kleidung nähte.
Schönheit und Körperpflege:
Öffentliche Badenhäuser waren, entgegen dem Stereotyp der schmutzigen und ungewaschenen mittelalterlichen Bevölkerung, sehr verbreitet
und Menschen wuschen sich dort oder daheim. Grundlegend war die Verbreitung von Krankheiten durch Erreger und Ansteckung bekannt und Menschen konnten auch saubere von verunreinigten Wasserquellen
unterscheiden.
Zudem hatten mittelalterliche Menschen detaillierte Kenntnisse von Naturmedizin. Reine, saubere und blasse Haut war ein
Schönheitsideal, welches sich in Gemälden von Maria der Gottesmutter, weiblichen Heiligen und weltlichen Damen widerspiegelt. Die verfügbare Hautpflege ist beispielsweise in den Schriften von der
Äbtessin und Gelehrten Hildegard von Bingen zu studieren, die Cremes aus Veilchen gegehn Unreinheiten und Narben im Gesicht empfielt. Veilchen enthalten Salizylsäure, die entzündungshemmend und
daher tatäschlich hautklärend wirkt.
Schmuck:
Die meisten Menschen im Mittelalter besaßen Schmuckstücke, entweder aus Zinn gegossen oder aus Silber oder Gold. Broschen und Fibeln, Schmuckgürtel, Ketten und
Fingerringe erfreuten sich großer Beliebtheit. Wie heute wurden Ehen mit der Gabe von Ringen besiegelt.
Schmuck hatte auch symbolische Bedeutung. Hierbei vereinte sich der Glaube an Farbsymboliken, Ornamente und die Kraft von Steinen und Metallen. Schmuckstücke sollten
die Trägerin vor Unheil schützen und ihr durch heilkräftige Wirkung Gesundheit bieten. Der Glaube an Magie war im Mittelalter überall in der Gesellschaft verbreitet und stand in keinem
Widerspruch zu den etablierten Religionen.
Schuhe:
Schuhe waren im Mittelalter in aller Regel aus Leder, obwohl auch Schuhe aus Holz und Gräsern für landwirtschaftliche Zwecke getragen wurden. Schuhe waren oft Teil der Bezahlung von Arbeitern.
Eine besonders unter Edelleuten verbreitete Schuhmode sind die Crakowes oder Poulaines. Diese Lederschuhe hatten spitz zulaufende Schuhspitzen und wurden von Frauen und Männern getragen. Angeblich kamen sie mit der Heirat Anne von Böhmen mit dem englischen König Richard II aus Polen, was namensgebend für die Poulaines war. Polen zeichnete sich damals durch einen deutlich fortschrittlicheren und gelehrteren Hof aus, als beispielsweise das verarmte England.
Auf dem Höhepunkt dieser Mode hatten die Schuhspitzen unter modebewussten Herren unglaubliche Längen erreicht, die das Gehen beeinträchtigten. Dies zeigt, dass das
gesellschaftliche Stereotyp von der exzessiven Schuhliebe von Frauen ein ideologisch motiviertes ist, denn in der Geschichte waren ausgefallene Schuhmoden lange die Domäne von modebewussten
Junglingen zu Hofe. Archäologische Grabungen in mittelalterlichen Friedhöfen haben festgestellt, dass die Zahl der Fußverformung Halux Walgus in der Bevölkerung zu dieser Zeit stark zunahm,
verursacht von der extrem spitzzulaufenden Schuhmode.
Um das delikate Schuhwerk vor dem Schmutz der Straßen zu schützen, trug man hölzerne Pantoffeln darüber, wie man sie am linken Bildrand der sogenannten 'Arnolfinihochzeit' Van Eycks sehen kann. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam der Kuhmaulschuh (auch: Ochsenmaulschuh) auf, ein flacher Lederschuh mit verbreiterter, rechteckiger Kappe in namensgebender Form. Generell wurden jedoch auch Lederstiefel mit runder Kappe getragen, die geschnürt ode mit Lederbändern und Schnallen geschlossen wurden.
Haartracht:
Das Haar wurde lang und geflochten unter Kopfbedeckungen getragen. Unverheiratete Mädchen durften ihr Haar solange offen tragen, bis sie 'unter die Haube' kamen und als verheiratete Frauen ihren
Kopf verhüllen mussten. In Italien war diese Sitte weniger streng, auch verheiratete Frauen konnten ihr Haar unbedeckt lassen und es mit Bändern geschmückt hochstecken. Goldblonde Haare waren ein
Schönheitsideal und man versuchte, sie mit Kamille und Sonnenlicht zu bleichen.
Um das Haar zu verhüllen gab es diverse Kopfbedeckungen:
Die einfachste Möglichkeit ist die Bedeckung des Haars durch ein Kopftuch, wofür ein großes Leintuch über den Kopf gelegt und dann die Längen eingedreht und um den Kopf gewickelt werden. Schleiertücher wurden über das Haupt drapiert getragen, entweder rund oder eckig zugeschnitten. Kinntücher, oft mit Schleiern kombiniert, wurden auf dem Haar ode an seitlichen Zopfschnecken (à la Prinzessin Leah aus Star Wars) festgesteckt. Zusätzlich gab es das sogenannte Gebende, eine Konstruktion aus zwei Stoffstreifen - einer läuft vom Scheitel unter dem Kinn entlang und einer horizontal rund um Stirn und Hinterkopf. Das Gebende dient als Basis zum Feststecken von Schleiern.
Der Kruseler, auch Krüseler oder Kruselhaube genannt, war eine Kopfbedeckung, die von etwa 1350 bis 1430 getragen wurde. Es handelt sich um ein Tuch, welches über den Kopf gelegt wird und dessen das Gesicht umrahmende Front durch gekräuselte Zierränder charakterisiert ist. Diese Zierränder waren hochstilisiert in feine Krausen oder Wabenstich-Smocking gelegt. Vermutlich entwickelte sich der Kruseler aus normalen Schleiertüchern, die durch die Stofffülle in Falten um das Gesicht fielen und dann immer weiter stilisiert wurden. Jan van Eck's berühmtes Gemälde der Arnolfinis (1434) zeigt einen solchen Kruseler über einer Hörnerfrisur.
Der Schapel, ein Reif aus Stoff oder Edelmetall, wird als Ornament auf dem Schleier getragen. Der Codex Manesse beispielsweise zeigt Schapel aus weißem Leinen, die am oberen Rand
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts etablierte sich ein neuer Kopfputz: die Hennin. Schnell breitete sich diese neue Mode von Burgund über die Höfe aus. Der hohe, kegelförmige Hut wurde aus Draht geformt und mit Stoff bezogen, der wiederum bestickt sein konnte. Von der Spitze konnte ein Schleier herabgehängt werden. Während adlige Damen Henninnen in schwindelerregender Höhe tragen durften, mussten sich Bürgerliche mit etwa 50cm zufriedengeben. Unter der Hennin wurde das Haar hochgesteckt und ein Stirnband aus schwarzem Stoff angelegt, um der Hennin Halt zu bieten und das Haar zu verdecken. Es gab auch gestutzte Hennins. Bemerkenswert ist die kleine schwarze Öse vorne an vielen Hennins, die der Trägerin dazu diente, den Kopfputz wieder auf dem Kopf zurecht zu rücken, wenn diese nach hinten abzugleiten drohte.
Die Doppelhennin, eine Weiterentwicklung, besteht aus zwei hornartigen Kegeln. Auch sie wurde bis etwa zum Ende des 15. Jahrhunderts in verschiedenen Höhen getragen und über beide Hörner wurde ein Schleier gelegt.
Parallel hierzu kam die Mode auf, sich die Haare über der Stirn zu zupfen, um einen höheren Haaransatz zu bekommen. Diese Mode hielt sich weit in die Renaissance und die hohe Stirn wurde mit
Weisheit verbunden.
Der Escoffion ist eine Hennin-Art, die statt hoch zu beiden Seiten des Kopfes weit auskragt und mit einer wattierten Rolle oder einem gezaddelten Behang geziert ist.
Schnittmuster:
- Die aufgelisteten Schnittmuster sind nicht als Werbung zu verstehen sondern dienen rein informativen Zwecken. Die Liste beansprucht keine Vollständigkeit oder Bewertung -
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